Das Kap der schönen Künste
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Fast ganz im Süden des afrikanischen Kontinents gelegen, gilt Kapstadt nicht umsonst als Sehnsuchtsziel zahlreicher Europäer, die dem nördlichen Winter entfliehen oder einmal etwas Neues entdecken möchten: Die Mother City, wie die Stadt auch genannt wird, versteht es, Besucher in ihren Bann zu ziehen und geizt dabei nicht mit ihren Reizen.

Und diese Reize sind tatsächlich mannigfaltig – sie reichen von landschaftlicher und natürlicher Schönheit über ausgezeichnete Weine und Kulinarik bis hin zu einer vielfältigen Kunst- und Kulturszene: Die Stadt liegt eingebettet zwischen Tafelberg und Atlantik und ist zudem von mehr als 150 Weingütern umgeben, die nicht nur mit ihrer malerischen Lage, gutem Wein und einer teils jahrhundertelangen Geschichte punkten, sondern mitunter auch mit ihren hochwertigen Kunstsammlungen überraschen. In Sachen Kunst und Kultur hat die Stadt außerdem noch zahlreiche Museen, Galerien und sogar Hotels zu bieten, die Kunstwerke und Kollektionen von Weltrang beherbergen. Auch bei einem Spaziergang durch die Stadt lässt sich allerlei Kunst entdecken, sei es in Form haushoher Graffitis oder auf den verschiedenen Märkten, wo vor allem die aus alten Gebrauchsgegenständen geschaffenen Werke mit Einfallsreichtum und Raffinesse beeindrucken. Die kreative Energie ist an jeder Ecke zu spüren und zeigt sich in teils erstaunlichen Kreationen und Ausdrucksweisen.

Symbiose aus Natur und Kunst vor den Toren der Stadt

Vor den Toren im Süden der Stadt findet die Kreativität gleich in mehrfacher Weise Ausdruck, denn hier gehen die Elemente Natur und Kunst eine ganz besondere Symbiose ein:  Die Norval Foundation, die im April 2018 ihre Türen öffnete, beeindruckt auf den ersten Blick mit ihrer einzigartigen Lage, bei der die Landschaft zum integralen Teil der Kulisse wird. Auf den zweiten Blick fesselt das Zentrum für Kunst und Kultur mit einem beeindruckenden Skulpturengarten und der modernen Architektur des Pavillons. Ziel ist es, Künstlern aus Afrika und der afrikanischen Diaspora eine Bühne und sowohl der Vergangenheit als auch der Gegenwart Platz zu bieten, wobei die zeitgenössische Kunst einen zentralen Stellenwert einnimmt.

Zu diesem Zweck finden halbjährlich wechselnde Ausstellungen namhafter Künstler oder thematische Schauen zu Afrika und zur afrikanischen Diaspora statt. Aktuell zu sehen ist eine Schau, die sich unter dem Titel „When Rain Clouds Gather: Black South African Women Artists, 1940 – 2000” auf südafrikanische Künstlerinnen und deren Schaffen konzentriert. Parallel zu sehen sind einige Werke von Irma Stern, die heute als eine der bedeutendsten südafrikanischen Malerinnen des 20. Jahrhunderts gilt und deren Vita mindestens genauso beeindruckend ist wie ihr Gesamtwerk. Dieses umfasst mehr als 800 Ölgemälde, dazu unzählige Aquarelle, Grafiken, Zeichnungen, Plastiken und Keramiken, zu sehen unter anderem in ihrem ehemaligen Zuhause im Stadtteil Rosebank.

Kunst im Getreidespeicher

Auch die Stadt selbst ist seit 2017 um eine kulturelle Einrichtung reicher, die ebenso wie die Norval Foundation bereits mit ihrer ganz besonderen Architektur die Blicke auf sich zieht:  Das Zeitz MOCAA (Museum of Contemporary African Art) öffnete 2017 seine Türen, um in permanenten sowie wechselnden Ausstellungen bedeutenden und aufstrebenden Künstler*innen aus ganz Afrika eine Bühne zu bieten. Es ist in einem alten Getreidesilo im Hafen untergebracht, das mittels aufwändiger Betonschneidetechniken ausgehöhlt wurde, um in Form Getreideähre den rund 80 Ausstellungsräumen Platz zu bieten. Damit trägt das Museum im Inneren ganz offensichtlich der Geschichte des Gebäudes Rechnung, während es nach außen hin mit verschiedenen Elementen spielt und die facettierten Fenster in der industriellen Fassade einen kaleidoskopischen Effekt erzeugen.  

Die Eröffnung des Museums hat eine Transformation des umliegenden Geländes in Gang gesetzt und dazu geführt, dass heute Hotels, Boutiquen und Restaurants das Bild bestimmen, wo einst eine Betonwüste und gähnende Leere herrschten. Direkter Nachbar des Museum ist das Luxushotel The Silo, das im ehemaligen Getreidespeicher hoch über dem Hafen thront und zeitgleich mit dem Museum seine Türen öffnete. Die im Hotel und in den einzelnen Zimmern und Suiten zur Schau gestellten Kunstwerke stammen aus der Privatsammlung der Eigentümerin und wetteifern mit der Kulisse, denn die Aussicht auf Stadt und Tafelberg, die sich von den Zimmern und Suiten aus bietet, ist kaum zu toppen.

Die hohe Kunst der Gastlichkeit

Auf eine etwas längere Geschichte als The Silo kann das Ellerman House zurückblicken. In einem geschichtsträchtigen Gebäudekomplex mit Blick auf den Atlantik untergebracht, bietet das 1992 eröffnete Luxushotel heute Kunst gepaart mit Service und Gastlichkeit auf höchstem Niveau. 

Das Ellerman House ist das erste dedizierte Kunsthotel Kapstadts und beherbergt eine Privatsammlung südafrikanischer Kunst, die in Umfang und Wert unübertroffen ist. Rund 1.000 Exponate – davon 800 Gemälde – sind als Teil des Interieurs laufend im Hotel zu sehen. Um auch wiederkehrenden Gästen, die einen Großteil der Klientel ausmachen, immer wieder etwas Neues bieten zu können, werden einige, wenn auch nicht alle Kunstwerke regelmäßig ausgetauscht bzw. rotiert. Für Interessierte organisiert das Hotel Privatführungen mit Hintergrundinformationen zu den einzelnen Stücken und ausgestellten Künstlern, die unweigerlich Lust auf mehr wecken. „Es kommt immer wieder vor, dass Gäste Interesse an dem einen oder anderen Werk bezeugen”, mein Geschäftsführerin Carol Kohne, „aber da geht nichts, alle unsere Auftrags- und anderen Werke sind unverkäuflich.” 

Private Touren und kollektiver Kunstgenuss

Doch die Lust auf mehr kann recht einfach auch anderswo gestillt werden, denn eine bei Kunstbegeisterten so angesagte Adresse wie The Ellerman House bietet nicht nur Führungen durch die hauseigene Kollektion an, sondern stellt auf Anfrage auch maßgeschneiderte Touren zusammen. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie gab es im relativ kleinen Stadtzentrum mehr als 50 Galerien, einige von ihnen mit Ablegern in Johannesburg oder sogar Europa. Auch wenn nicht alle die Corona-Zeit überlebt haben, ist die Szene nach wie vor äußerst lebhaft und bunt. Um wirklich tief einzutauchen, empfiehlt es sich daher durchaus, eine geführte Tour zu buchen.

Nicht nur Kunstkenner und Sammler sind willkommen: Um auch die breite Öffentlichkeit zu erreichen, wurde vor einigen Jahren der „First Thursday” ins Leben gerufen, bei dem einmal im Monat die Galerien im Zentrum der Stadt auch abends geöffnet haben. Da sich die meisten Galerien in unmittelbarer Nachbarschaft zu vielen Restaurants und Cafés rund um die trendige Bree Street befinden, ist dieser erste Donnerstag eines jeden Monats mittlerweile ein Fixtermin im Veranstaltungskalender der Stadt, bei dem Kunst mit Genuss verbunden werden kann. Bei schönem Wetter sind die Straßen teilweise für den Verkehr gesperrt, um mehr Platz für Fußgänger zu schaffen und besonders in den Sommermonaten wird es schnell sehr voll, weshalb ein Besuch ab 17.00 Uhr eingeplant werden sollte. Während die Stadt in der kalten Jahreszeit im Winterschlaf zu versinken scheint, sind die Südafrikaner bei schönem Wetter viel draußen und generell nicht abgeneigt, der Kunst des Laissez-faire nachzugehen. Hier sind sie natürlich alleine schon rein wettertechnisch begünstigt, denn Regenwetter und kühle Temperaturen können in den Sommermonaten an den Fingern einer Hand abgezählt werden. 

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